Übernehmen wir Verantwortung!

Gestern war ich mit meiner Freundin gemeinsam Mittagessen. In der Calle José Joaquin Vallejos in San Miguel liegt das Restaurant Tia Nea. Es ist ein nettes kleines familiengeführtes Lokal, die Kellner sehr freundlich und das Essen lecker und außerordentlich günstig. Weil schönes Wetter war, ließen wir uns auf der Terrasse nieder. Als ich an meinem Hähnchen mit Reis herumkaute, sah ich plötzlich drei Jugendliche an dem Lokal vorbeilaufen. Zwei prügelten sich, der dritte sah in meine Richtung. In dem Bruchteil einer Sekunde in der sich unsere Blicke kreuzten, sah ich in seinen Augen seine Verzweiflung: Er wusste nicht, was er tun sollte. Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass es ein realer Kampf und nicht nur eine Inszenierung war.

Ich ließ das Besteck fallen, rannte zu ihnen, um den Kampf zu beenden. Als ich 14 Jahre alt war, war ich einmal in einen Kampf verwickelt worden. Vier Jugendliche, denen langweilig war, hatten in der U-Bahn mich als Opfer ausgesucht und gemeinschaftlich auf mich eingeprügelt. Ich hatte keine Chance allein gegen sie. Von den mindestens 30 Anwesenden half mir niemand. Alle sahen nur zu. Diese Szene sah ich wieder vor mir, als ich zu den Kämpfenden vor dem Lokal Tia Nea rannte. Ich wollte nicht nur zusehen, wie die anderen damals in Bielefeld. Ich befahl dem dritten Jugendlichen mir zu helfen und kurz darauf hatten wir die Streithähne getrennt. Sie beruhigten sich und gingen in verschiedene Richtungen davon.

Zurück am Tisch hatte ich eine Diskussion mit meiner Freundin darüber. Sie regte sich sehr auf, weil sie Angst um mich hatte: In Chile sei so etwas nicht ungewöhnlich, auch käme es vor, dass die Kämpfenden mitunter mit Messern oder Pistolen bewaffnet seien. Ich wurde mir über darüber klar, dass sie Recht hatte.  Sie kennt ihr Land besser als ich. Meine Aktion war wirklich nicht ungefährlich gewesen.

Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass es besser ist, zu handeln als nur zuzusehen! Jeden Tag akzeptieren wir so viele Ungerechtigkeiten: Von den unberechtigten Vorwürfen gegen unseren Kollegen bis hin zur bitteren Armut in der Welt. Als IT- und Projektmanager kenne und mag ich den Spruch „Wer etwas erreichen will, sucht Wege. Wer etwas verhindern will, sucht Gründe.

Es gibt immer Gründe nichts zu tun, das Unrecht hinzunehmen. Gute Gründe. Aber die Welt wird sich nicht ändern, wenn wir es einfach hinnehmen. Glauben wir gemeinsam an eine bessere Welt! Verändern wir die Welt – zumindest ein bisschen! Übernehmen wir Verantwortung!

Und wenn wir die Streitenden nicht selbst trennen wollen, rufen wir wenigstens die Polizei!

Der Artikel ist auch in en español verfügbar.

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